Herzlich Willkommen!

Ich habe Birgit von Goodfellows Mensch&Hund Coaching gebeten, einen Gastbeitrag zu schreiben.
Warum? Sie lebt mit dem wunderschönen Finley zusammen. Und Finley ist groß. Viel größer als Lychee. Nach dem Blogbeitrag wo ich erzählt habe, warum kleine Hunde zu Kläffern werden, wollte ich einfach mal die Meinung einer Großhundbesitzerin hören.
Kleiner Spoiler: Ich würde mich sofort gemeinsam mit Lychee mit Birgit und Finley treffen wollen 🙂
Viel Spaß beim lesen!
Und wer genau so verliebt ist in Birgits Schreibstil und ihren Humor (ich liebe ihren Blog genau deshalb), schaut einfach mal bei ihr vorbei (http://goodfellows-coaching.de/). Ich durfte dort auch schon einen Gastartikel zum Thema “Assistenzhund” lassen.

Als meine Bloggerkollegin Laura, mich bat ihren Artikel „So werden kleine Hunde zu Kläffern“ mit einem Beitrag zu beantworten, der die Sichtweise von Großhundebesitzern einnehmen sollte, bin ich ganz schön ins Schwitzen gekommen.
Zuerst einmal, war für mich als „Großhund-Besitzerin“ sehr aufschlussreich, mit wie vielen Ängsten doch Kleinhundehalter belastet sind. Das war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst. Und jetzt sollte ich sozusagen die Gegenseite vertreten – auweia.
Eigentlich, so dachte ich bei mir, kann man so einen Artikel ja überhaupt nicht schreiben, ohne dass man irgendjemandem dabei auf die Füße tritt. Aber kneifen wollte ich auch nicht.

Ich habe es ehrlich versucht, der Gesamtsituation einigermaßen gerecht zu werden.

Die Perspektive, die ich gewählt habe ist eigentlich eher die einer Halterin eines großen Hundes, die die
ganze Aufregung um das Thema ‚Groß versus Klein‘ oder ‚Klein versus Groß‘ nicht mitmachen möchte. Denn meiner Meinung nach, müsste es dieses „Versus“ nicht geben. Dieser Artikel ist also auch ein Erfahrungsbericht und Ihr werdet lesen, dass Finley und ich es geschafft haben, dass kleine Hunde und ihre Besitzer in der Regel vor Begegnungen mit uns keine Angst haben müssen.
Allerdings möchte ich vorab auch klarstellen, dass Lauras und Lychees Situation eine Besondere ist. Für den Umgang mit Assistenzhunden im Einsatz, gelten wie ich finde, strengere Regeln. Doch da ist Laura die eigentliche Expertin. Deshalb möchte ich diese besondere Situation in diesem Artikel ausklammern.

In der Hundewelt geht es ja manchmal sehr grob und schonungslos zu. Lasst uns doch mal schauen, wo wir mit unserem Thema stehen:

Kleine Hunde sind keine richtigen Hunde, Wadenbeißer, Fußhupen, verwöhnte, kläffende Biester. Große Hunde sind tollpatschige, distanzlose Riesen, die ihre kleinen Artgenossen rücksichtslos überrennen.
Halter von kleinen Hunden halten es nicht für nötig, ihre verhätschelten Lieblinge zu erziehen und kümmern sich nicht um das Verhalten ihrer Hunde und wenn was passiert, sind immer die anderen schuld.
Halter von großen Hunden, ist es nur wichtig, dass ihr Großer zu seinem Recht kommt. Sie nehmen keine Rücksicht auf kleine Hunde, denn ihrer ist ja körperlich überlegen. Es ist ihnen egal, ob der Kleine sich verletzt.
Puhhh, ich bin erschöpft. Das sind mal grob zusammengefasst die Vorurteile, die wir Hundehalter uns täglich gegenseitig an den Kopf werfen. Irgendwo steckt da überall ein Fünkchen Wahrheit drinnen.

Aber wisst Ihr was? NICHTS davon spielt in der Interaktion unserer Hunde untereinander eine Rolle! Wir Menschen sollten uns dringend fragen:

Über wessen Ängste sprechen wir hier eigentlich? Sind es nicht vorwiegend die Ängste von uns, den Hundebesitzern?

Hunden ist das, was wir wahrnehmen, nämlich wie klein und verletzlich zum Beispiel ein Dackel, Pudel oder Jack Russel ist, vollkommen egal. Sie beurteilen ihre „Größe“ nicht nach der Rückenhöhe. Nein, Sie beurteilen das Ego ihres Gegenübers. Wie ist seine/ihre Körperhaltung, wie riecht er/sie, versteht er/sie meine Signale? Hunde sind da viel klüger als wir, denn sie wissen, dass es tatsächlich auf die inneren Werte ankommt.

Sicher, der Größenunterschied ist da, aber kann man das nicht managen? Ich behaupte ja.
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass die Halter auf beiden Seiten ein Bewusstsein für ihre jeweilige Verantwortung entwickeln und diese Verantwortung dann auch übernehmen. Diese Verantwortung wiegt meiner Meinung nach auf beiden Seiten gleich schwer. Und auf beiden Seiten – jetzt wird es brenzlig für mich – wird diese Verantwortung oft im gleichen Maße ignoriert.

Nehmen wir mal den Klassiker:

Ein großer Hund läuft ungebremst auf einen kleineren Hund zu. Der kleine Hund zeigt deutlich an, dass ihm das unangenehm ist, das kümmert den Großen aber nicht. Nachdem alle Demutszeichen versagt haben, fängt er an zu kläffen, der große Hund macht trotzdem weiter ….
Mich erinnert das irgendwie an meine Kindheitstage. Wenn meine Tante Thorwalde (Name nicht geändert) auf unseren Familienfesten auftauchte, lief es meistens folgendermaßen ab. Diese wirklich riesengroße, breitschultrige, blonde Frau schritt durch die Esszimmertür, steuerte dann den Kindertisch an, riss mich aus meinem Stuhl, drückte mich an sich und beerdigte mich dabei unter ihrem bebenden Tantenbusen. Dann zog sie mir mit ihren Fingern links und rechts, jeweils eine Falte aus der Wangenhaut und schüttelte meinen Kopf kurz hin und her und brüllte „na, meine Süsse“ in den Raum. Das war gruselig.
So in etwa stelle ich mir vor, muss sich ein kleiner Hund fühlen, wenn er von einem großen überrannt wird und Frauchen oder Herrchen beider Hunde nicht einschreiten. Ihr könnt‘ mir glauben, meine Tante war eine Seele von Mensch, sie liebte mich aufrichtig und sie wollte wirklich nur mal Hallo sagen. Das alles hat mir in der akuten Situation aber nicht wirklich weitergeholfen.

Im umgekehrten Fall, fühlen wir Großhundehalter uns aber auch manchmal falsch beurteilt. Wenn ein kleiner, aufgeregter Hund frei auf unseren angeleinten, großen Hund zuläuft, dann bellend vor ihm auf und ab springt, birgt das für den Kleinen gewisse Risiken.  Macht der kleine Hund das am vorderen Ende des großen Hundes, braucht dieser schon sehr viel Toleranz um das auszuhalten. Mal klar betrachtet springt der kleine Hund da jedes Mal in Richtung Schlund.
Keine gute Situation. Ich finde nicht, dass ein Hund, egal wie groß er ist, das unbegrenzt aushalten muss. Lässt der Hundehalter des kleinen Hundes das zu und reglementiert seinen Kleinen nicht, trägt er in meinen Augen die Hauptverantwortung für das Risiko seines Hundes.

Ich habe solche Situationen mit Finley oft erlebt. Inzwischen lasse ich sofort die Leine fallen. Leider reagieren die Kleinhundehalter oft panisch, wenn ich das mache. Dabei entspannt es die Situation ungemein. Finley hat dann die Freiheit, von dem kleinen Hund wegzugehen und sich der Stalkerei zu entziehen. Setzt der kleine Hund nach, hindere ich diesen daran meinem Rüden zu folgen. Meist begleitet durch das Kopfschütteln der Kleinhundbesitzer, denn ihr kleiner wollte doch nur spielen oder hallo sagen oder…. Und wenn ich ganz ehrlich bin, ist es genau das Verhalten, welches mich an einigen Kleinhundbesitzern total nervt. Man klärt die Situation für sie, weil sie es nicht tun und wird auch noch angemacht. Upsi, jetzt habe ich ja doch noch gemeckert.

Im Idealfall übt man solche Hundebegegnungen mit seinem Hund schon von klein auf an. Das erfordert allerdings eine gewisse Toleranz auf allen Seiten und die Fähigkeit einen selbstkritischen Blick auf sich und seinen Hund zu werfen. Es muss einem klar sein, dass die Begegnungen menschliche Begleitung brauchen. Und vor allem ist es hilfreich, wenn die beteiligten Menschen ruhig und ausgeglichen in diese Begegnungen gehen. Die ersten Begegnungen sollten deshalb möglichst kurzgehalten werden, damit sich der Stresspegel bei Mensch und Hund nicht ins Unendliche hochschraubt. Und mit „Stress“ meine ich nicht nur Angst. Auch Freude und Spaß sind Stress und können zu Überreaktionen führen. Und was uns Menschen betrifft eine klare Kommunikation in gegenseitigem Respekt füreinander, könnte schon viele Situationen entschärfen.

Ich behaupte jetzt einmal ganz frech: Es gibt so etwas wie Harmonie zwischen großen und kleinen Hunden, wenn ihre Halter es zulassen. Finley und ich zelebrieren das jeden Donnerstag- und jeden Samstagmorgen. Da treffen wir uns mit Colette, Loki, Fritz und Dave. Colette ist eine Französische Bulldogge und die Chefin der Gang. Finley würde ihr niemals widersprechen. Loki ist Finleys liebste Spielpartnerin, sie ist noch jung und er hat sie unter seine Fittiche genommen. Sheltie Dave ist etwas unsicher, deshalb hat Finley gelernt (unter Anleitung) etwas Temperament herauszunehmen, wenn er ihn begrüßt. Dave hat begriffen, dass Finley nicht sein Feind ist und sucht manchmal Deckung hinter dem Großen, wenn ein fremder Hund auf uns zukommt. Und Fritz, ja Fritzi ist ein lustiger Senfhund aus dem Tierschutz. In ihm vereinigen sich optisch alle Kleinhundrassen dieser Welt. Er und Finley haben sich akzeptiert. Das alles ist uns Hundehaltern nicht geschenkt worden. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet. Es funktioniert, weil wir es wollen. Wenn es mal Tage gibt, an denen es nicht so entspannt läuft. Zum Beispiel, wenn sich eine Läufigkeit bei den Mädels ankündigt, dann splitten wir uns auf, bis die Hormone wieder im Lot sind.

Fazit

Mein Fazit sieht wohl so aus. Ja, es gibt die rücksichtslosen Großhundbesitzer und ja, es gibt auch die sorglosen Kleinhundbesitzer. Aber ein Feindbild aufzubauen ist niemals nützlich, dem nachzugeben schon gar nicht.

Was uns bleibt ist, es unserem Hund zuzugestehen Begegnungen mit großen und kleinen Hunden zu haben. Es hilft schon viel, wenn der eigene Hund das kann.

4 Antworten

  1. Liebe Laura,

    es freut mich sehr, dass Du Dich mit Finley und mir treffen würdest. Lychee und er hätten sicher viel Spass zusammen, genauso wie wir.
    Es hat sehr viel Spass gemacht, für Deinen tollen Blog zu schreiben.

    Lieben Gruß
    Birgit und Finley

  2. Sehr schön geschrieben. Auch ich kenne beide Seiten. Wir gehen regelmäßig mit einer Freundin und ihrer Bolonka-Hündin spazieren. Oft berichtet sie mir, wie rücksichtlos andere Hundebesitzer sind. So oft sagen andere Besitzer, dass ihr großer Hund nichts tut und nur spielen will und nachher wird dann doch die kleine Hündin von dem großen gejagt und die Besitzer verstehen ihren Hund nicht und zeigen keinerlei Reaktion. Nun lehnt sie generellen Kontakt mit unbekannten Hunden ab. Auf der anderen Seite habe ich einen mittelgroßen Hund, der sich auch mal mit einem kleinen Rüden so richtig in den Haaren hatte. Man hat als Großhundbesitzer immer die schlechteren Karten, auch wenn der andere eventuell kleinere Hund provoziert hat. Aber wie immer gilt hier die gegenseitige Rücksichtnahme und vor allem sollte man immer miteinander sprechen, bevor man die Hunde “aufeinander los lässt”. Die Kommunikation kommt hier leider viel zu oft viel zu kurz.

  3. Das alte Thema: David und Goliath! Dabei kann das Leben miteinander so einfach sein. Als mir beim Spaziergang mit meinen Golden Retrievern, einer davon ein temperamentvoller Jungschnösel, eine Frau mit „tja, was denn eigentlich? Größe eines Meerschweinchens und einen rosa Pulli an“ entgegenkam, war mein erster Gedanke „Um Himmels Willen, hoffentlich apportiert er das winzige Dingelchen nicht!“
    Nein, er tat es nicht. Das Dingelchen war eine winzig kleine Chihuahua Welpendame und in kürzester Zeit beste Freundin des Schnösels. Es wird zusammen hinter einem Ball hergerannt, der Schnösel bekommt auch mal eine Ansage und es klappt wunderbar.
    Eigentlich klappt es hier perfekt zwischen Groß und Klein. Alle sind entspannt, bis auf die Dame mit der Rauhaardackeline, die mit ihren 8 Monaten auch mal die anderen kennenlernen würde aber leider schwebt sie meistens in der Luft auf dem sicheren Arm von Frauchen. Frauchen ist Ersthunde-Besitzerin. Schade, sie verpassen beide soviel…

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